Die 8. Verschwendung

Foto des Autors
Michael Kloss

Jeder der sich schon mal mit der Kanban Methode oder dem Toyota Production System auseinandergesetzt hat, kennt das Thema Verschwendung. Ursprünglich wurden 7 Arten von Verschwendung identifiziert, im Englischen auch als TIMWOOD abgekürzt.

Jeder der sich schon mal mit der Kanban Methode oder dem Toyota Production System auseinandergesetzt hat, kennt das Thema Verschwendung. Ursprünglich wurden 7 Arten von Verschwendung identifiziert, im Englischen auch als TIMWOOD abgekürzt.

T=Transport=Transport
I=Inventory=Bestände
M=Motion=Bewegung
W=Waiting=Warten
O=Over-production=Überproduktion
O=Over-engineering=Falsche Technologie/Prozesse
D=Defects=Ausschuss/Nacharbeit

Als Agile Coach erlebe ich tagtäglich die inoffizielle 8. Verschwendung:
Menschliches Potenzial.

Es ist sicherlich für jeden nachvollziehbar, dass diese Art der Verschwendung nicht nur sehr häufig vorkommt, sondern auch sehr schlimm ist. Daher ist eine der zentralen Fragen überhaupt: Wie erkenne ich menschliches Potenzial – wie kann ich es ans Tageslicht bringen, um es gezielt zu fördern statt es zu verschwenden?
Die Definition von Potenzial (von lat. potentia „Stärke, Macht“) hilft zu verstehen, was Potenzial überhaupt meint: es ist die Fähigkeit zur Entwicklung; noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten.

Potential (von lat. potentia „Stärke, Macht“), auch Potenzial, bedeutet Fähigkeit zur Entwicklung; noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten.

Neben fachlicher Qualifikation und Talent spielt dabei die Fähigkeit zur Selbstmotivation eine große Rolle. Menschen, die aus sich heraus motiviert sind, sind zufriedener. Sie leisten dauerhaft und erzielen bessere Ergebnisse. Dies wurde bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen (z.B. We work harder when we are happy). Ist das Gegenteil der Fall, , also wenn wenig Eigenmotivation aufgebracht werden kann, werden die Ergebnisse schlechter und der Stress größer – bis hin zur psychischen Erkrankung. Es gilt daher zu erkennen: „Was motiviert einen Menschen von innen heraus?“. Es ist die Frage nach der sogenannten intrinsischen Motivation.

Um der 8. Verschwendung im Business-Kontext entgegenzuwirken, müssen wir herausfinden, was die Menschen in einem Team intrinsisch motiviert, wo ihre inneren Potenziale liegen. Leider beschäftigen wir uns nur sehr selten damit. Es wird immer darüber geredet, man brauche heute multi-disziplinäre Teams, Diversität in Teams sei ein Schlüsselfaktor. Aber wie man diese Gruppe zu einem Team formt, bleibt im Unklaren. Es gibt zwar unzählige Methoden, die uns dabei helfen sollen, ebenso häufig wird in diesen nicht hinterfragt, ob diese für alle Menschen in einer Gruppe auch funktionieren können. Manchmal hat man wohl einfach Glück, manchmal ist es die Intuition, dass eine Methode gut funktionieren würde – manchmal ist es schlicht „trial and error“.

Wie erfährt man aber jetzt, was einen Menschen antreibt? Durch genaues Beobachten des anderen kann man erschließen, was diesem Menschen wichtig ist. Das erfordert einerseits Übung (z.B. sich selbst zurückzunehmen) und andererseits braucht Verhaltensbeobachtung Zeit. Dabei sind Aussagen und „Glaubenssätze“ in spontanen, emotionalen Situationen hilfreich, wenn der eine beispielsweise wettert: „Ich hasse Smalltalk“. Dieser Satz in Kombination mit weiteren deutbaren Zeichen lässt darauf schließen, dass dieser Mensch gerne alleine ist und sich eher zurückzieht.

Ob das stimmt? Nun, es gibt zumindest empirische Forschung dazu, wie intrinsische Motivation das Verhalten und damit auch die Sprache beeinflusst. Um genau diese Zusammenhänge zu nutzen, arbeite ich mit dem LUXXprofile, einer wissenschaftlichen Methode, die an der Universität Luxemburg entwickelt worden ist. Mit dem LUXXprofile lassen sich die Motive eines Menschen, seine intrinsische Motivation, ermitteln. Das Wissen über diese Motive hilft dabei schneller zu erkennen, was Menschen antreibt und was sie brauchen, um ihr Potenzial entfalten zu können. Das Ergebnis eines LUXXprofiles sind die Ausprägungen einer Person auf 16 Motiven, die einzeln oder in Kombination das Verhalten der Person beeinflussen. Je stärker ein Motiv ausgeprägt ist, desto häufiger versucht die Person dieses Motiv auch zufriedenzustellen. Ist die Person in einer Situation, in der sie dauerhaft gegen ihr Motiv arbeiten muss, empfindet sie emotionalen Stress.

Ich mache es einmal anhand eines Motivs deutlich: Das Motiv Sozialkontakte drückt das Streben nach Geselligkeit und dem Interesse an anderen Menschen aus. Je stärker es bei einer Person ausgeprägt ist, desto häufiger wird diese Person versuchen, unter Menschen zu sein. Lachen, ausgehen, Witze erzählen, gemeinsam Zeit verbringen. Alles wichtige Punkte für diese Person. Ist sie lange allein, „fällt ihr die Decke auf den Kopf“. Ist bei einer anderen Person dieses Motiv kaum ausgeprägt, genießt sie die Einsamkeit und hasst Smalltalk. Stellen Sie sich diese beiden Personen in einem
Team vor: Erledigt eine am liebsten alles gemeinsam, sitzt die zweite am liebsten im Einzelbüro und hat die Türe zu.

Offenheit beugt Verschwendung vor

Heißt das, wir können und sollen bestimmte Arbeitsweisen und Methoden nicht mehr zulassen? Oder ist agiles Arbeiten, bei dem alle im Raum gemeinsam an einem Thema arbeiten, nicht für jedermann möglich? Keineswegs. Es geht darum zu verstehen, dass jeder danach strebt, seine eigenen Motive zu befriedigen. Je mehr er Rahmenbedingungen vorfindet, in denen er dies tun kann, desto eher kann er sein Potenzial entfalten und leisten. Es kann bisweilen ok sein, gegen ein Motiv zu arbeiten, wenn es bei Zeiten wieder ausgeglichen werden kann.

Dieses Wissen um menschliche Motive und ihre Bedeutung für Zufriedenheit und Leistung sowie das Bemühen um jede einzelne Person sind für mich wichtige Grundlagen, um ein passendes Maß der Zusammenarbeit in einem Team zu finden. Um das angesprochene menschliche Potenzial nicht zu verschwenden, hilft es, Menschen so arbeiten zu lassen, dass ihr individuelles Gleichgewicht möglichst wenig gestört wird.

Was Sie dafür tun müssen ist im Grunde einfach:
Sie müssen erkennen, was Menschen antreibt und vor allem mit Ihnen und untereinander darüber sprechen.

Schreibe einen Kommentar

Das könnte Dich auch noch interessieren

Feedback, nein danke! Kritik, ja bitte!

Feedback, nein danke! Kritik, ja bitte!

Agile Methoden fordern immer wieder Feedback ein. So nutzen Retrospektiven Feedback zur Verbesserung der Arbeitsorganisation. Reviews nutzen es, um Arbeitsergebnisse ...
Der Product Owner ist Schlüssel für den Projekterfolg

Der Product Owner ist Schlüssel für den Projekterfolg

Der Product Owner nimmt in Scrum eine sehr zentrale Rolle ein, die oft mit sehr hohen Erwartungen verbunden ist. Er ...
Agile Series: Ihr agiles Portfolio in 6 Schritten mit Portfolio for Jira

Agile Series: Ihr agiles Portfolio in 6 Schritten mit Portfolio for Ji...

Vereinfachen Sie Ihr agiles Projektmanagement. Lesen Sie, wie Sie in nur 6 Schritten zu Ihrem agilen Portfolio mit Portfolio for ...