Stolperstein Organisation

Erst das Konzept, dann der Dienstleister

Im Interview mit IT-DIRECTOR erklärt Sebastian Neus, Gründer und Geschäftsführer der Conciso GmbH aus Dortmund, worauf Unternehmen bei der Wahl eines IT-Dienstleisters achten sollten – und warum es nicht nur „den einen Dienstleister“ gibt.

Sebastian Neus

„Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile in vielen Unternehmen fest verankert“, betont Sebastian Neus

ITD: Herr Neus, welchen Einfluss haben die gegenwärtigen Krisen, aber auch der damit verbundene Digitalisierungsschub in den vergangenen Monaten auf den deutschen IT-Dienstleistungsmarkt ausgeübt?
Sebastian Neus:
Insbesondere die Corona-Pandemie hat zu einem deutlichen Digitalisierungsschub in Unternehmen geführt. Am deutlichsten wird das wohl mit Blick auf das Homeoffice: In sehr kurzer Zeit wurde auf breiter Linie Remote-Arbeit ermöglicht, interdisziplinäre Teams arbeiteten plötzlich standortübergreifend zusammen, Tools wie Microsoft Teams waren von heute auf morgen Alltag. Auch in anderen Bereichen wurden auf einmal digitale Lösung eingeführt. Um den Lockdown zu überstehen haben beispielsweise auch lokale Einzelhändler in Online-Shops investiert und darüber ihre Produkte verkauft.

Viele IT-Dienstleister haben von der akuten Nachfrage profitiert. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie nachhaltig die Entwicklung sein wird. Haben Unternehmen umfassend erkannt, welche Vorteile sie durch eine kontinuierliche Digitalisierung realisieren können und setzten dauerhaft Initiativen auf? Oder kehren sie wieder zu einer eher skeptischen Haltung zurück?

ITD: Was sind konkrete Herausforderungen/Stolpersteine bei der Prozessdigitalisierung in Großunternehmen?
Neus:
Nach unserer Erfahrung ist die Technologie an sich für die Digitalisierung von Prozessen fast nie eine größere Schwierigkeit. Die echten Hindernisse finden sich in der Regel auf Ebene der Unternehmensorganisation. Auch wenn seit Jahren viel über übergreifende Zusammenarbeit gesprochen wird, denken viele Fachbereiche in vielen Unternehmen immer noch nur bis zur Fachbereichsgrenze. Das führt zum einen dazu, dass Prozesse eben nicht sauber End-to-End gestaltet sind und in der Folge auch nur bedingt sinnvoll von IT unterstützt werden können. Zum anderen dauert es oft sehr lange, bis sich alle Stakeholder in einem Unternehmen verständigen konnten und ein Projekt starten kann. Und wenn es dann los geht, sind die Ziele und die Anforderungen nicht wirklich klar.

Während der Corona-Pandemie kam hinzu, dass Abstimmungen nur remote möglich waren. Bei Projekten, in denen etablierte Prozesse digitalisiert werden sollen, ist das kein großes Problem. Wenn die Prozesse aber erst noch definiert werden müssen, erschwert die Arbeit aus der Distanz das Weiterkommen sehr.

ITD: Inwieweit greifen hiesige Unternehmen anno 2022 bei der Digitalisierung ihrer Prozesse auf externe Unterstützung zurück?
Neus:
Das ist sehr unterschiedlich und hängt maßgeblich von den internen Ressourcen – der Anzahl der Mitarbeiter und der vorhandenen Qualifikationen – und dem konkreten Vorhaben ab. Bei der Implementierung von Standardsoftware sind fast immer Beratungen an Bord, die sich mit der jeweiligen Lösung gut auskennen. Mittlerweile sind aber auch Dienstleister mit einem etwas anderen Fokus gefragt: Unternehmen wollen die eigene Organisation weiterentwickeln und IT zum Bestandteil ihrer Produkte und Services machen. Dafür brauchen sie einen Partner, der eher als Coach agiert und bestimmte Methoden und Techniken vermittelt. Zudem nimmt die Relevanz von individuell entwickelter Software zu. Gerade in diesem Bereich sind fast alle Unternehmen auf externe Unterstützung angewiesen.

ITD: Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl eines entsprechenden IT-Dienstleisters achten?
Neus:
Grundsätzlich gibt es nicht den einen IT-Dienstleister, weil es eben auch nicht das eine IT-Projekt gibt. Bevor ein Unternehmen einen passenden Partner auswählen kann, muss es also zunächst einmal die Aufgabe konkretisieren und erkennen, um welche Art von Aufgabe es sich handelt. Und das ist oft gar nicht so trivial.

Insofern ist es ein erstes gutes Zeichen, wenn ein IT-Dienstleister zunächst einmal kritisch nachfragt, um was es genau geht. Wichtig ist dabei, dass der Dienstleister wirklich den eigentlichen Zweck verstehen möchte und sich nicht nur auf die IT als Mittel konzentriert. Passt das vom Unternehmen gewählte Mittel nicht zum Zweck, sollte der Dienstleister das so klar sagen – auch wenn er das Projekt dann eventuell nicht bekommt, weil andere Kompetenzen gefragt sind.

Apropos Kompetenzen: An dieser Stelle sollte ein Dienstleister sehr deutlich machen, was er kann und was nicht. Manche Dienstleister kennen sich hervorragend mit der Softwareentwicklung aus, können aber komplexe Projekte nicht besonders gut managen. Andere sind stark bei der Implementierung und dem Roll-out von Standardsoftware in global agierenden Unternehmen, müssen aber beim Aufbau von zukunftsfähigen Architekturen passen.

Der Dienstleister muss immer auch Enabler für ein Unternehmen sein. Er sollte sein Wissen teilen und dem Unternehmen so ermöglichen, auch eigenständig zu handeln. Wir sind überzeugt davon, dass das nicht zum eigenen wirtschaftlichen Nachteil wird. Ganz im Gegenteil. Unternehmen, die beispielsweise in die Lage versetzt werden, Produkte mit digitalen Komponenten zu konzipieren, werden bei der Umsetzung vermutlich wieder externe Unterstützung in Anspruch nehmen. Das Enablement der Unternehmen führt so zu einer höheren Dynamik.

ITD: Welche Rolle sollte das Thema „Nachhaltigkeit“ bei der Entscheidungsfindung spielen?
Neus:
Das ist eine moralische Frage, die letztlich jedes Unternehmen für sich beantworten muss. Was wir sagen können: Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile in vielen Unternehmen fest verankert. Wenn Nachhaltigkeit dann auch ein Aspekt bei der Auswahl eines Dienstleisters ist, ist das nur logisch und konsequent. Und begrüßenswert! Wir jedenfalls bemühen uns, unsere Emissionen kontinuierlich zu reduzieren. Dafür haben wir beispielsweise Windräder und eine Photovoltaik-Anlage installiert. In unserem Ausbildungsprojekt wollen wir herausfinden, wieviel Strom wir als Unternehmen – auch in den Remote-Situationen – verbrauchen, um dann Möglichkeiten zu schaffen, dies zu kompensieren. Nachhaltigkeit ist übrigens auch für uns als Arbeitgeber ein wichtiges Thema: Immer mehr potenzielle Mitarbeiter interessieren sich dafür, wie nachhaltig wir uns als Unternehmen verhalten. Für sie ist das ein Kriterium bei der Wahls ihres Jobs.

ITD: Inwieweit kann Digitalisierung an sich zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen beitragen?
Neus:
IT bietet unzählige Möglichkeiten, Nachhaltigkeit zu forcieren. Dazu gehört etwa, dass dank IT in Unternehmen viel weniger Papier verbraucht wird – wobei hier nach wie vor erhebliches Potenzial besteht. Durch die mittlerweile akzeptierte Remote-Arbeit lassen sich Unmengen an gefahrenen oder geflogenen Kilometern einsparen. Und wenn Prozesse durchgängig digitalisiert sind, erhöht das in der Regel die Effizienz und reduziert damit den Energieverbrauch.

Ein Bereich, der künftig sicher noch an Bedeutung gewinnen wird, ist die gezielte datenbasierte Analyse von Prozessen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitseffekte und davon ausgehend die Simulation von Szenarien. Das kann beispielsweise einen Produktionsprozess betreffen oder eine Transportroute für Lkw. Eines sollte bei all dem aber nicht vergessen werden: IT selbst verbraucht auch Energie und verursacht Emissionen. Deshalb sollte immer auch das Verhältnis von Einsparung und Verbrauch in den Blick genommen werden. Abgesehen davon ist es aus unserer Sicht wichtig, dass sich die Technologie im Sinne der Nachhaltigkeit weiterentwickelt.

ITD: Welche Rolle könnte hierbei auch Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) spielen und einen nachhaltigen Beitrag leisten?
Neus:
Grundsätzlich ist eine Stärke von Künstlicher Intelligenz, Muster in Daten zu erkennen, nach denen wir selbst nie gesucht hätten. So gewinnen wir immer wieder Erkenntnisse, die ganz neue Wege aufzeigen. Das lässt sich natürlich auch im Nachhaltigkeitskontext nutzen – beispielsweise bei der Analyse von Verkehrsströmen in Städten. Ich würde allerdings keine Wunder erwarten: Denn auch heute mangelt es eigentlich nicht am Wissen. Es mangelt an nachhaltigem Verhalten. Darauf zu hoffen, dass KI einen Weg findet, wie wir weitermachen können wie bisher und dennoch das Klima retten, ist vermutlich vergebens.

Bildquelle: Conciso

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